Der türkische Minister für Schatz- und Finanzwesen Mehmet Şimşek erklärte:
„Die Inflationserwartungen für die kommenden zwölf Monate sind auf rund 35 Prozent gesunken, und die Kreditwürdigkeit der Türkei beginnt sich zu verbessern. Vor einiger Zeit hatte Fitch unser Kreditrating angehoben. Gestern Abend hat auch Standard & Poor’s (S&P) unser Rating erhöht. Wir sind daher auf dem richtigen Weg. All das zeigt deutlich, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen.“

Şimşek äußerte sich beim „8. Deutsch-Türkischen Wirtschaftstag“, der in Düsseldorf, der Landeshauptstadt des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, stattfand, zur türkischen Wirtschaft sowie zu den Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland.

Şimşek betonte, dass für Investoren die Größe des Marktes, in den sie investieren, von großer Bedeutung ist, und erklärte, dass die Türkei angesichts ihres Bruttoinlandsprodukts und ihrer Bevölkerungszahl über einen großen Markt verfügt.

In dieser Phase ist die Türkei beim Nearshoring sowie beim Friendshoring – also bei der Beschaffung aus benachbarten Ländern und befreundeten Regionen – in einer vorteilhaften Position. Mit der Europäischen Union pflegen wir seit 1963 einen Dialog und eine Partnerschaft. Deshalb sind wir Europa freundschaftlich verbunden. Es mag in einigen politischen Fragen Meinungsverschiedenheiten geben, doch wir betrachten die Europäische Union über die Zollunion weiterhin als Partner und Freund.

Daher sind wir sowohl nah als auch befreundet. Ebenso sind wir mit Asien, Nordafrika und dem Nahen Osten sowohl geografisch als auch partnerschaftlich eng verbunden. Aus diesem Grund wird erwartet, dass uns die durch den geostrategischen Wettbewerb verursachte Fragmentierung des Welthandels nicht stark negativ beeinflussen wird.     

                                                                                   

Şimşek wies darauf hin, dass die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in der Türkei in den kommenden zehn Jahren rasch wachsen werde, und betonte, dass das Land demografisch gesehen über ein etwa 15-jähriges Zeitfenster an Chancen verfügt.

Şimşek erklärte, dass in der Türkei in den vergangenen 20 Jahren Infrastrukturinvestitionen in Höhe von nahezu 280 Milliarden US-Dollar getätigt worden seien, und sagte:
„Nach dem Logistikindex der Weltbank verfügen wir über eine bessere Infrastruktur als 91 Schwellenländer. Deshalb sind wir in einer vorteilhaften Position.“

Unter der Überschrift „Ein stärkerer Dialog zwischen deutschen und türkischen KMU liegt im Interesse beider Länder“ betonte Şimşek, dass die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) das Rückgrat der türkischen Wirtschaft bildeten. Ein deutlich intensiverer Austausch zwischen deutschen und türkischen KMU liege im Interesse beider Länder, so Şimşek.

                                                                                              

Minister Şimşek erklärte, dass in der Türkei in den vergangenen 20 Jahren umfangreiche Investitionen in das Technologie- und Innovationsökosystem getätigt worden seien, und sagte:

„Wir nehmen Deutschland in diesem Bereich tatsächlich als Vorbild. Dennoch müssen wir den Dialog mit Deutschland in dieser Hinsicht weiter stärken. Insbesondere bei der Stärkung des Technologie- und Innovationsökosystems messen wir dem deutsch-türkischen Dialog große Bedeutung bei. Und genau das wird mit Ihrer Unterstützung möglich sein.“

Şimşek erklärte, dass die Türkei im Index zur Vorbereitung auf Künstliche Intelligenz besser positioniert sei als viele andere Schwellenländer, und betonte, dass die Investitionen in die KI-Infrastruktur fortgesetzt würden.

„Wenn wir in der Wertschöpfungskette aufsteigen, werden wir wohlhabender“

Şimşek wies darauf hin, dass Deutschland in der verarbeitenden Industrie weltweit eine sehr bedeutende Rolle spiele, und erklärte, dass auch die Türkei gemessen am Pro-Kopf-Einkommen über eine starke industrielle Basis verfüge.

                                                                      

Minister Şimşek sagte:
„Die Frage hier lautet: Warum sind wir dann nicht reich? Wenn wir im verarbeitenden Gewerbe gemessen am Pro-Kopf-Einkommen so gut dastehen, warum ist die Türkei dann nicht wohlhabender? Weil die Türkei in der Wertschöpfungskette noch nicht an der Position ist, die wir uns wünschen. In den vergangenen 15 bis 20 Jahren haben wir große Fortschritte erzielt, doch wir halten dies nicht für ausreichend. Wir arbeiten daran, in der Wertschöpfungskette weiter nach oben zu rücken.“

Şimşek betonte, dass die Türkei über ein sehr großes Potenzial im Bereich grüner Produkte verfüge, und erklärte, dass sowohl die grüne Transformation als auch die digitale Transformation zu den wichtigsten Prioritäten des Landes zählten.

„Es ist ein langer Weg, aber wir werden erfolgreich sein, denn wir haben ein gutes Programm“

Şimşek hob die Bedeutung der Energiewende für die Türkei hervor und erklärte, dass 55 Prozent der installierten Leistung des Landes aus erneuerbaren Energiequellen stammten. In den kommenden Jahren solle dieser Anteil durch Investitionen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar auf über 60 Prozent gesteigert werden.

                                                                           

Minister Şimşek erklärte, dass sich das Potenzial der Türkei weiter stärken werde, sobald die wichtigen makroökonomischen Probleme gelöst seien, und nahm folgende Einschätzungen vor:

„Unsere höchste Priorität ist selbstverständlich die Preisstabilität, also die Senkung der Inflation auf ein einstelliges Niveau. Fiskaldisziplin und struktureller Wandel sind weitere Prioritäten. Mit strukturellem Wandel meinen wir – wie bereits erwähnt – die grüne Transformation, die digitale Transformation sowie den industriellen Wandel. All dies ist entscheidend für ein nachhaltiges hohes Wachstum. Leider ist die Inflation derzeit sehr hoch. Im Mai werden wir mit einer Inflationsrate von über 70 Prozent den Höhepunkt erreichen. Dank des von uns umgesetzten Programms wird die Inflation ab der zweiten Jahreshälfte deutlich zurückgehen, und im Jahr 2026 werden wir wieder eine einstellige Inflation erreichen. Es ist eine lange Reise, aber wir werden erfolgreich sein, denn wir haben ein gutes Programm.“

Dank an Deutschland für die Solidarität nach dem Erdbeben

Şimşek sagte weiter:
„Ich möchte Deutschland herzlich für die Solidarität und Unterstützung danken, die es der Türkei nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe im vergangenen Jahr entgegengebracht hat. Wir sind dem deutschen Volk und dem deutschen Staat sehr dankbar. In unserer schwierigsten Zeit stand Deutschland an unserer Seite. Dafür danken wir herzlich.“

Şimşek erklärte zudem, dass es Programme zur Reduzierung des Leistungsbilanzdefizits in der Türkei gebe und dass man durch strukturelle Reformen in Humankapital, in die Qualität der Bildung sowie in die Verbesserung des Investitionsumfelds investieren werde.

Er führte aus, dass man zur Beseitigung der makroökonomischen Ungleichgewichte in der Türkei mit gesetzlichen Reformen begonnen habe. Infolgedessen habe sich das Leistungsbilanzdefizit verringert und das Vertrauen der Investoren sei zurückgekehrt.

Şimşek betonte zudem, dass es einen deutlichen Anstieg der Netto-Kapitalzuflüsse in die Türkei gegeben habe, und sagte:
„Die Währungsreserven sind wieder gestiegen. Die Inflationserwartungen für die kommenden zwölf Monate sind auf rund 35 Prozent gesunken, und die Kreditwürdigkeit der Türkei beginnt sich zu verbessern. Vor einiger Zeit hatte Fitch unser Kreditrating angehoben. Gestern Abend hat auch Standard & Poor’s (S&P) unser Rating erhöht. Wir sind also auf dem richtigen Weg. All das zeigt eindeutig, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen.“

                                                                                  

„Wir können gemeinsam mit Deutschland in Afrika, Zentralasien und vielen Regionen Geschäfte machen“

Şimşek äußerte sich auch zu den deutsch-türkischen Beziehungen und sagte:
„Gemeinsam sind wir stärker. Deutschland ist für uns ein sehr wichtiges und wertvolles Land. Wir haben sehr starke Verbindungen zu Deutschland. Diese beschränken sich nicht nur auf den Handel. Vielmehr verbindet uns vor allem ein starkes Band zwischen den Menschen. Deshalb sehen wir Deutschland als einen wertvollen Partner.“

Şimşek wies auf die Bedeutung Deutschlands im EU-Beitrittsprozess der Türkei hin und erklärte:
„Wir können uns von Deutschland niemals trennen. Wir haben sehr starke Bindungen zu Deutschland, und nun möchten wir diese mit Ihrer Unterstützung weiter stärken. Im vergangenen Jahr ist unser Handelsvolumen auf rund 55 Milliarden Euro gestiegen. Mehr als 8.000 große und mittelständische deutsche Unternehmen haben in der Türkei investiert und schaffen dort Arbeitsplätze. In diesem Sinne verfügen wir über sehr starke Verbindungen. In der kommenden Zeit können wir gemeinsam mit Deutschland in Afrika, Zentralasien und vielen Regionen Projekte realisieren – es geht also nicht nur um bilateralen Handel, sondern auch um Kooperationen in anderen Bereichen.“

Zur Beziehung der Türkei mit der Europäischen Union

In Bezug auf die Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union sagte Şimşek:
„Natürlich haben wir eine Agenda mit der EU. Der zentrale Punkt dieser Agenda ist die Modernisierung der Zollunion mit der Europäischen Union, um Ihren Handel besser zu erleichtern. Wir sind der Ansicht, dass eine Aktualisierung der Zollunion unter Einbeziehung von öffentlichen Aufträgen und Dienstleistungen sowohl im Interesse der Türkei als auch der Europäischen Union liegt. Diese Frage an politische Bedingungen zu knüpfen, zeigt meiner Meinung nach, dass Europas strategische Sicht auf die Türkei schwach ist. Denn es ist nicht sinnvoll, ein Thema, das eindeutig im Interesse beider Seiten liegt, an Bedingungen zu knüpfen. Wir müssen hier klar und entschlossen Fortschritte erzielen. Ich hoffe, dass sich dieser Prozess nach den Wahlen zum Europäischen Parlament beschleunigen wird.
Damit Geschäfte gemacht werden können, müssen Unternehmer und Wissenschaftler reisen können. Daher sind Visaerleichterungen selbstverständlich sehr wichtig.“

„Das Programm zeigt Wirkung – wir werden erfolgreich sein“

Şimşek betonte, dass hinter dem in der Türkei umgesetzten Wirtschaftsprogramm ein klarer politischer Wille und eine starke politische Unterstützung stünden, und schloss seine Ausführungen mit folgenden Worten:

„Das Programm hat bereits begonnen, Ergebnisse zu liefern. Ich bin überzeugt, dass wir erfolgreich sein werden. Ihre Präsenz hier verleiht der Türkei Stärke. Wenn wir nach Deutschland kommen, fragen uns unsere Landsleute oft: ‚Können wir etwas tun?‘ Meine Antwort lautet stets: ‚Das Beste, was Sie tun können, ist hier erfolgreich zu sein. Lernen Sie die Sprache dieses Landes, halten Sie sich an seine Gesetze und Regeln, schaffen Sie hier Mehrwert, schaffen Sie Arbeitsplätze und integrieren Sie sich in die Gesellschaft. Damit leisten Sie einen sehr großen Beitrag für die Türkei.‘

Das ist unser Ansatz. Wir sind stolz auf den Erfolg unserer Bürgerinnen und Bürger sowie unserer Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland. Gleichzeitig ist es für uns von großer Bedeutung, dass Handel, Investitionen und die Bindungen zur Türkei stark bleiben. Ich bin überzeugt, dass die türkische Wirtschaft auch in diesem Sinne große Chancen und Erfolge bietet.“